Die Nordsee ist kein natürliches Meer mehr

Die Nordsee verstehen – mit der CoastMap Webanwendung des Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

Was wissen wir über die Nordsee? Wie verändert sich das Schelfmeer aktuell? Auf welche Weise beeinflusst der Mensch die Küsten und das Küstenmeer? Die neue CoastMap App des Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) will Zusammenhänge verständlich darstellen und die verschiedenen Forschungsgebiete, die sich bei den Geesthachter Küstenforschern bündeln, in einem spannenden Streifzug anschaulich vermitteln. Denn die Einflüsse, denen die Nordsee ausgesetzt ist, sind äußerst komplex. Und sie verändern sich rasant. Zum einen sind dies Veränderungen in Winden, in Strömungen und Wellen und im Meeresspiegel als Folge von Klimawandel. Eine wichtige Grundlage hierfür bildet der COASTDAT Datensatz des HZG. Dieser kann das Seegangsklima von 1958 bis heute abbilden, so dass eine virtuelle Nordsee für die vergangenen 50 bis 60 Jahre entsteht. Zum anderen ist die Nordsee auf dem Weg ein Industriegebiet zu werden. Die von Menschen verursachten Belastungen, denen die Nordsee permanent ausgesetzt ist, sind äußerst vielschichtig.

Aus der Luft gelangen durch Niederschlag zum Beispiel große Mengen Quecksilber aus der Kohle- und Müllverbrennung an Land ins Meer. Die Nordsee gehört auch zu den meistbefahrenen Gewässern der Welt. Diese Schiffe emittieren große Mengen Rußpartikel, Stick- und Schwefeldioxide, die über die Luft ins Meer gelangen. Hinzu kommen Einträge aus Industrie und Landwirtschaft, die über die Flüsse in Richtung See getragen werden. Jenseits der Schutzzonen des Wattenmeers gibt es geradezu einen Wettlauf, welcher industrielle Zweig das größte Anrecht auf die Nutzung der Nordsee hat. Ist es die Offshore-Windindustrie, die allein in der deutschen Wirtschaftszone der Nordsee bis zu 9.000 Windräder errichten könnte? Oder ist es die Fischereiindustrie, die in den Windparkgebieten nicht mehr ihrem Gewerbe nachgehen kann und ausweichen muss, da dort die Fischerei verboten ist? Was passiert, wenn in der Küstenregion große Mengen Sand für Bauzwecke entnommen werden? Mit der CoastMap App kann man in einem digitalen Fahrstuhl von der Atmosphäre bis hinunter auf den Meeresboden fahren und sein Verständnis der Nordsee überprüfen.

Denn jenseits des romantischen Blicks auf die Küste, das Wattenmeer, den Strand und die Dünen gibt es noch viel zu erforschen. Im bekannten Resonator-Podcast bemerkt Prof. Kay Emeis vom HZG aus Sicht der Forschung, dass die Nordsee schon längst „kein natürliches Meer mehr“ sei. Vielmehr ist es seit über 1.000 Jahren vielen anthropogenen – das heißt, von Menschen gemachten – Einflüssen ausgesetzt. Vom Deichbau, der Muschelfischerei bis hin zu modernem Tourismus und der Gewinnung fossiler und erneuerbarer Energien hat sich die Nutzung der Nordsee stetig weiterentwickelt.

Und der Klimawandel verändert das Meer erneut. So steigt die Wassertemperatur der Nordsee stärker als alle Prognosen vorausgesehen haben an. Welche Folgen hat das für das marine Ökosystem? Kommt es vielleicht sogar zu einem „Regime Shift“, zu einer sprunghaften Verschiebung der Ökosysteme im Meer? Die CoastMap App lädt alle Nordsee-Fans und Wissenschaftsinteressierte zur Entdeckungsreise ein – von der Elbmündung, über Helgoland bis an den Rand der Doggerbank, der größten Sandbank in der Nordsee weit draußen am Ende der Deutschen Bucht. Hier geht man mit schwerem Gerät auf die Jagd nach schmackhaften Plattfischen und jedes Jahr wird dort mit Grundschleppnetzen etwa ein Drittel des Meeresbodens umgepflügt. Das wissen selbst eingefleischte Nordsee-Enthusiasten häufig nicht.

Zum Artikel auf eskp.de

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