Forscher finden TNT in Ostsee-Muscheln
1,6 Millionen Tonnen Granaten und Bomben schlummern auf dem Grund von Nord- und Ostsee. Das gewaltige Waffenarsenal stammt größtenteils aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie Forscher aus Schleswig-Holstein jetzt nachgewiesen haben, gammeln die Altlasten nicht einfach so vor sich hin, sondern sind eine Gefahr für die Fischbestände und somit auch für die Menschen.
„TNT ist giftig für Meerestiere und kann auch auf unserer Speisekarte landen“, sagt der Toxikologe Edmund Maser, Professor an der Universität Kiel. Den Sprengstoff und seine Abbauprodukte konnte Maser jetzt erstmals in Miesmuscheln in der Ostsee nachweisen. Die Muscheln wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts im munitionsverseuchten Meeresgebiet Kolberger Heide in der Kieler Förde ausgesetzt. Miesmuscheln ernähren sich, indem sie Schwebeteilchen aus dem Wasser filtern. TNT ist laut Maser stark krebserregend. „Schon einige Moleküle können ausreichen, um Krebs entstehen zu lassen“, sagte Maser der OZ am Rande einer Internationalen Konferenz zum Thema „Munition im Meer“ in Berlin.
„Das Problem verschwindet nicht durch Nichtstun“, warnt der Forscher. Die Ausbreitung von TNT im Wasser könnte in nächster Zeit deutlich zunehmen, weil die Hüllen der Bomben und Granaten immer mehr wegrosten. Maser befürchtet, dass die Gifte in die Nahrungskette gelangen – was zur Folge hätte, dass manche Fische bald nicht mehr essbar sein könnten. Hinzu komme, dass es immer schwieriger werde, die Bomben auf dem Meeresgrund zu orten und zu bergen. Grund dafür sei, dass die metallischen Hülsen der Sprengstoffe allmählich wegrosten und die gefährlichen Überreste nicht mehr mit Metalldetekoren gefunden werden können.
„Es besteht Handlungsdruck“, sagt Maser. Denn ohne Hülsen beschleunige sich die Ausbreitung der Gifte im Wasser. Nach Sprengungen von Seeminen stellten die Forscher eine 50-fach höhere Konzentration von TNT in den Muscheln fest. „Bei einer Sprengung wird nur ein Teil verbrannt“, erklärt Maser. Große Mengen des Sprengstoffs blieben übrig und würden durch die Detonation großflächig verteilt.
Der gefährliche Weltkriegs-Schrott bleibt ohnehin nicht immer an Ort und Stelle, wo er vor mehr als 70 Jahren ins Meer gekippt wurde. Wie und wann die Sprengkörper durch Strömungen am Meeresboden wandern, hat der Forscher Peter Menzel vom Lehrstuhl für Meerestechnik von der Uni Rostock untersucht. Er kann nun Vorhersagen treffen, wo die explosive Fracht wahrscheinlich wieder auftaucht.
Menzel: „Wir wollen das ja nicht am Strand liegen haben.“ Bei der Berliner Konferenz brachten sich 80 Fachleute aus Deutschland und Polen drei Tage lang auf den aktuellen Stand.
Mecklenburg-Vorpommern war unter anderem mit dem Warnemünder Institut für Ostseeforschung und der Uni Rostock vertreten. Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatten offizielle Vertreter geschickt, MV nicht – was für Unmut sorgte. Auch beim Expertenkreis von Bund, Bundeswehr, Bundesbehörden und der norddeutschen Meeresanlieger-Länder fehlte der Nordosten.
Eingeladen zur Tagung waren das Innen- und das Umweltministerium. Beide sagten ab. „Das Land verpasst Chancen“, beklagt ein Teilnehmer. Rund um das Thema Munition im Meer gebe es neben den Umweltaspekten auch wirtschaftliche Perspektiven – etwa für Spezialfirmen, die im Nordosten bereits gut vertreten sind.
Das Innenministerium wollte einen Referatsleiter schicken. Doch der sagte ab, so Sprecher Michael Teich. Grund war eine Bombenentschärfung in Schwerin.
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