Forscher untersuchen Öko-System an großem Küstenabschnitt

Wissenschaftler der Universität Rostock untersuchen seit sieben Jahren im Naturschutzgebiet Heiligensee und Hütelmoor im Nordosten Rostocks, welches sich entlang der Küste von Markgrafenheide bis zum Rosenort erstreckt, auf der so genannten Rodewiese die Vergetationsdynamik und den Stoffaustausch zwischen Moor und Atmosphäre. Im Klartext heißt das, penibel zu ergründen, wie sich die Vegetation von Jahr zu Jahr verändert. Und vor allem auch, wie der Stoffaustausch im Moor sich verändert und was ihn antreibt.

„Dieser Küstenmoorkomplex bietet sich hervorragend als Modellsystem an“, sagt Dr. Gerald Jurasinski, kommissarischer Leiter der Professur Landschaftsökologie und Standortkunde der Uni Rostock. Der Abschnitt sei seit einigen Jahren der natürlichen Küstendynamik überlassen worden. Für den Wissenschaftler ist es interessant zu beobachten, „wie sich ein Ökosystem durch menschliche Eingriffe verändert und wie lange Anpassungsprozesse andauern“. Das Küstenmoor wurde seit Ende der 60iger Jahre entwässert und bis zur Wende landwirtschaftlich genutzt. Die aktive Entwässerung durch Pumpen wurde 1992 eingestellt.

Interessant: „Das Moor wurde aber nicht, wie erwartet, wiedervernässt“, blickt Dr. Jurasinski zurück. Deshalb habe das damalige Staatliche Amt für Umwelt und Natur beschlossen, den Hauptentwässerungsgraben mit einer Sohlschwelle zu verschließen. Zur Vorbereitung dieser Maßnahme wurde im Herbst 2003 der 'Ringdeich Markgrafenheide' um den Heideort gezogen. Danach wurde die Unterhaltung der Küstenschutzbauwerke, also der Buhnen und der Küstenschutzdüne, im Strandabschnitt von Markgrafenheide bis zum Rosenort aufgegeben. Das Naturschutzgebiet wurde dann im Winter 2009 durch den Einbau einer Sohlschwelle wiedervernässt. Seit dem ist auch im Sommer der Wasserstand ausreichend hoch.

„Über 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Mecklenburg-Vorpommern kommen, in Form von Kohlendioxid, aus entwässerten Mooren, deswegen sind Wiedervernässungen eine wichtige Option zur Verbesserung der Klimabilanz des Landes“, konstatiert Dr. Gerald Jurasinski. „Nach Wiedervernässung ist allerdings mit einem erhöhten Ausstoß von Methan zu rechnen, ebenfalls ein bedeutendes Treibhausgas.“ Daher sei die Untersuchung der tatsächlich ablaufenden Prozesse von großer Bedeutung für das zukünftige Management von Moorstandorten.

Für ihn sei es interessant, mit der Brille der Wissenschaft zu beobachten, wie die Funktion eines zuvor bereits durch Menschen stark veränderten Ökosystems sich durch erneute menschliche Eingriffe entwickelt. Jurasinski wartet auf das nächste Hochwasser: Dann fließe, entsprechend der vor dem Eingriff des Menschen bestehenden Situation Ostseewasser in das Ökosystem. Die Methanemissionen würden sich dann wahrscheinlich verringern, weil durch Sulfat aus dem Ostseewassser das Entstehen von Methan gehemmt werde. Allerdings sind auch jetzt schon die Sulfatkonzentrationen im Gebiet hoch und es wird – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – trotzdem viel Methan ausgestoßen. „Hier besteht definitiv noch Forschungsbedarf“ sagt Dr. Jurasinski „das gilt insbesondere auch für die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer an der Flachküste generell“.

An dieser Stelle setzt nun ein neues, großes Forschungsprojekt an, das die Uni Rostock und das Leibniz Institut für Ostseeforschung Warnemünde bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeworben haben. Das Graduiertenkolleg Baltic TRANSCOAST bietet zunächst 12 Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, gemeinsam die Wechselwirkungen zwischen Land und Meer an der Deutschen Ostseeküste zu erforschen. Das Projekt bildet einen zentralen Baustein beim Ausbau des Standortes Rostock zum Zentrum für Küstenforschung.

(Text: Wolfgang Thiel)


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