Offshore-Wasserstoffproduktion beeinflusst die Nordsee
[...] Knapp 80 Prozent der weltweit genutzten Energie stammt derzeit aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Gas. Im Zuge der Energiewende sollen diese verstärkt durch umweltfreundliche Energieträger wie klimaneutral produzierten Wasserstoff ersetzt werden. Das deutsche Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) legt den Grundstein, um künftig Wasserstoff mithilfe von Windenergie in der Nordsee zu erzeugen. Angestrebt wird die Installation von Offshore-Wasserstoffanlagen mit einer Kapazität von 10 Gigawatt in Offshore-Windparks in der Deutschen Bucht. Die Technologien werden zurzeit erprobt. Bislang standen vor allem Fragen nach der technischen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit im Fokus. Auswirkungen auf die Umwelt wurden bisher nur begrenzt berücksichtigt. Die neue Hereon-Studie analysiert mit Hilfe von eines selbst entwickelten Computermodells erstmals den möglichen Fußabdruck der Offshore-Wasserstoffproduktion in der Nordsee und zeigt, wie der geplante Ausbau umweltfreundlich gelingen kann. [...]
Bei der Offshore-Wasserstoffproduktion wird zunächst Meerwasser entsalzt und anschließend durch die sogenannte Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Hierbei entstehen Abwärme und Sole. Beides wird nach dem aktuellen technologischen Stand oberflächennah zurück ins Meer geleitet. Die Autoren der Hereon-Studie legten ihren Berechnungen ein thermisches Verfahren zugrunde, wobei das Wasser über Verdunstung entsalzt wird. Das Ergebnis ihrer Modellierungen zeigt, dass im Vergleich zur Sole die Abwärme hierbei den deutlich größeren Einfluss auf das Meerwasser hat. Sie bedingt, dass die Wassertemperatur im Umkreis von 10 Metern um eine 500-Megawatt-Wasserstoffanlage um bis zu 2 Grad Celsius im Jahresmittel steigen kann. Die Forschenden haben das Szenario ausgeweitet und den Einfluss für mehrere nah beieinanderstehende Wasserstoffanlagen mit einer Gesamtkapazität von 10 Gigawatt berechnet. Selbst im Umkreis von 1000 Metern zeigte sich noch ein Temperaturanstieg von 0,1 bis 0,2 Grad Celsius im Jahresmittel. Bei einer Entfernung von 50 Kilometern waren es immer noch 0,01 Grad Celsius.
„Die entscheidenden Temperaturveränderungen treten hauptsächlich lokal auf und haben dort je nach Produktionsgröße einen Einfluss auf die Schichtung des Wasserkörpers", sagt Erstautor Dr. Nils Christiansen vom Hereon-Institut für Küstensysteme - Analyse und Modellierung. Die Schichtung ist die vertikale Aufteilung des Meeres in verschiedene Wasserschichten mit unterschiedlicher Dichte, Temperatur und Salzgehalt. Unten befindet sich kälteres, dichteres Wasser mit einem höheren Salzgehalt und vielen Nährstoffen. Darüber liegt wärmeres, leichteres Wasser mit einem geringeren Salzgehalt. Die wärmere Schicht funktioniert wie eine Barriere und beeinflusst auch den Nährstofftransport von unten nach oben. Die Erkenntnisse der Hereon-Studie zeigen, dass sich diese Schichtung verstärkt, wenn die Wassertemperatur an der Oberfläche durch den Eintrag der Abwärme steigt. Das kann den Nährstofftransport verändern und damit auch die Produktivität des Phytoplanktons. Das befindet sich nahe der Oberfläche und bildet die Grundlage für die gesamte Nahrungskette im Meer. Um sich zu vermehren und Photosynthese zu betreiben, benötigt es unter anderem die Nährstoffe aus den tieferen Schichten.