Offshore-Windparks: Mögliche Freisetzung von Substanzen und wie sich diese verringern lassen
Eine internationale Studie unter Leitung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), des französischen Forschungsinstituts für die Nutzung der Meere (IFREMER) und des belgischen Forschungsinstituts für Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelforschung (ILVO) zeigt, dass Offshore-Windparks potenziell über 200 chemische Stoffe ins Meer freisetzen könnten. Wie lassen sich diese Stoffe besser erfassen, bewerten und regulieren? Erste technische Lösungen und Vorschriften zur Reduzierung dieser Emissionen gibt es bereits. Dabei nimmt Deutschland international eine Vorreiterrolle ein. Doch europaweite Abstimmungen fehlen.
Das internationale Forschungsteam führte eine Literaturrecherche durch und identifizierte anhand von Forschungsartikeln, Berichten und Sicherheitsdatenblättern 228 chemische Substanzen, die von Offshore-Windparks potenziell freigesetzt werden könnten. Dazu gehören vor allem Stoffe aus Korrosionsschutzsystemen (70 Prozent) sowie Öle und Schmierstoffe (10 Prozent), die für den Betrieb notwendig sind. Hinzu kommen weitere Emissionen, beispielsweise aus Kühl- und Feuerlöschmitteln.
Der Großteil der Substanzen gehört zur Gruppe der organischen Stoffe (64 Prozent), gefolgt von anorganischen Stoffen (19 Prozent). Von den 228 identifizierten Stoffen gelten 62 als besonders umweltrelevant. Das liegt daran, dass sie auf Prioritätenlisten stehen, zum Beispiel bei der Europäischen Chemikalienagentur oder der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die Stoffe nach ihrer Wirkung auf die Umwelt bewerten.
Darunter sind Stoffe, die potenziell toxisch, persistent, hormonell wirksam oder krebserregend sein können oder sich in der Nahrungskette anreichern können. Wie viel tatsächlich von Offshore-Windparks freigesetzt wird und welche Auswirkungen diese Emissionen auf die Meeresumwelt haben, muss jedoch besser erforscht werden. Das bildet die Grundlage, um die Meere zu schützen und nachhaltig zu nutzen.
Analytische Herausforderung: Wie viel kommt von wo?
Aber wie lassen sich solche Emissionen in der Praxis überwachen? Die Vielfalt der Stoffe und ihre Verwendung in anderen Bereichen an Land und auf See erschweren es, die Auswirkungen von Offshore-Windparks eindeutig zuzuordnen. Daher sind komplexe Analysen erforderlich, um festzustellen, woher die Stoffe hauptsächlich stammen, wie viel tatsächlich in die Meeresumwelt gelangt und welche Auswirkungen sie haben. [...]
Eine Möglichkeit besteht darin, die Konzentrationen einiger ausgewählter Stoffe vor dem Bau und während des Betriebs von Offshore-Windparks zu messen, um etwaige Veränderungen festzustellen. Auch Modellierungen können dazu beitragen, die Verteilung und das Verhalten der Substanzen in der Umwelt besser zu verstehen. Bisher gibt es jedoch keine standardisierten Verfahren zur Überwachung dieser stofflichen Emissionen.
Technische Lösungen: verfügbar, aber nicht verpflichtend
Angesichts des zunehmenden Ausbaus der Offshore-Windenergie ist es von entscheidender Bedeutung, stoffliche Emissionen zu überwachen und ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu untersuchen. Gleichzeitig sollten diese Emissionen durch den Einsatz umweltfreundlicherer Materialien und Techniken reduziert werden.
Die Studie zeigt auch, dass einige Emissionen technisch vermeidbar sein könnten, beispielsweise durch alternative Korrosionsschutzsysteme, geschlossene Kühlsysteme oder biologisch abbaubare Betriebsstoffe. Allerdings fehlen branchenspezifische Standards, wie sie beispielsweise in der Schifffahrt verwendet werden. Die Studie empfiehlt daher verbindliche technische Leitlinien, die für die Genehmigung und den Betrieb von Offshore-Windparks gelten sollten.
Nationale Vorschriften vorhanden, aber keine internationalen
Die Studie vergleicht ebenfalls, wie die USA, Großbritannien und Deutschland stoffliche Emissionen von Offshore-Windparks regulieren. Die Ansätze unterscheiden sich stark und eine umfassende Regulierung fehlt bisher. In den USA und Großbritannien bewerten die Behörden während des Genehmigungsverfahrens Umweltaspekte unter Berücksichtigung potenziell freigesetzter Chemikalien. Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland bei der Vorgehensweise eine Vorreiterrolle ein.
Projektträger müssen in Deutschland bereits in der Planungsphase ein Emissionskonzept beim BSH einreichen, das potenzielle Emissionen und Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Reduzierung beschreibt. Nach der Genehmigung folgt eine detaillierte Emissionsstudie. Auch Konzepte für Abfall und Betriebsstoffe sind erforderlich und müssen regelmäßig aktualisiert werden.
Das BSH legt verbindliche technische und umweltbezogene Anforderungen für Offshore-Projekte fest, etwa zur Abfallentsorgung, zum Korrosionsschutz, zum Abwassermanagement und zum Einsatz von Kühl- oder Löschsystemen. So sind zinkbasierte Anoden zum Korrosionsschutz in deutschen Meeresgewässern verboten, ebenso wie biozidhaltige Beschichtungen zur Bewuchskontrolle.
Engere Verzahnung von Forschung und Praxis
Solche Leitlinien sollten nicht nur national, sondern auch international gelten, da stoffliche Emissionen von Offshore-Windparks sich grenzüberschreitend in der Meeresumwelt verbreiten. Verschiedene Akteure sollten ebenfalls frühzeitig einbezogen werden, um die Leitlinien zügig umzusetzen.
Die Studie entstand im europäischen Interreg-Projekt Anemoi in Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen „Marine Chemie“ und „Erneuerbare Energien im Offshore-Bereich“ des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES). In Zukunft könnte die Studie als Grundlage dienen, um die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Windpark-Betreibern und Aufsichtsbehörden zu stärken. [...]
(PM BSH, IFREMER, ILVO gek.)
Weitere Informationen unter bsh.de
Originalpublikation: Hengstmann, E., Zapata Corella, P. & Alter, K. et al. (2025): Chemical emissions from offshore wind farms: From identification to challenges in impact assessment and regulation, Marine Pollution Bulletin, Volume 215, DOI: 10.1016/j.marpolbul.2025.117915. Link