Pariser Klimaabkommen: Ein Sieg der Vernunft und der Diplomatie
In den letzten Tagen ist in Paris das nahezu Unmögliche wahr geworden. Praktisch alle Staaten dieser Erde, mit ihren riesigen Unterschieden in Kultur, Geschichte, Wirtschaft und Interessen, einigten sich auf ein verbindliches Klimaabkommen. Und das hat es in sich: es bedeutet nichts weniger als einen Konsens über das nahe Ende der fossilen Energie.
Vereinbart wurde, den globalen Temperaturanstieg seit der Industrialisierung deutlich unter 2 °C zu halten, sowie Anstrengungen zur Begrenzung auf 1,5 °C. Damit folgen die Staaten der Empfehlung der Wissenschaft: als Teil des UN-Prozesses zur Vorbereitung von Paris war eine förmliche Konsultation mit über 70 Experten durchgeführt worden. Deren Ergebnisse belegen viele Vorteile einer Begrenzung auf 1,5°C: deutlich reduzierte Risiken für die Ernährungssicherheit, für die Stabilität von Eisschilden und für das Überleben von empfindlichen Ökosystemen wie den Korallenriffen. Sie zeigen auch, dass eine Begrenzung auf 1,5°C als Langzeitziel noch möglich ist, wenn Klimaschutzmaßnahmen jetzt sehr rasch und konsequent durchgeführt werden.
Dafür müssten die Emissionen an klimawirksamen Gasen in den nächsten Jahren zu fallen beginnen und nach der Jahrhundertmitte netto-Nullemissionen erreicht werden. Auch dieses Ziel ist im Abkommen explizit festgeschrieben. In der Praxis müssen dazu nicht nur die fossilen Energieemissionen nahe bei null sein, sondern zudem die schwer vermeidbaren Emissionen aus Landwirtschaft und industriellen Prozessen durch Senken ausgeglichen werden.
Die Reduktionsverpflichtungen des Kyoto-Protokolls aus dem Jahr 1997 wurden von den Unterzeichnern um hundert Prozent übertroffen – doch waren dort nur die Industriestaaten verpflichtet worden. Dieses Manko überwindet das Paris-Abkommen. Fast alle Staaten haben schon im Vorfeld konkrete Selbstverpflichtungen vorgelegt, die das Herz des Abkommens bilden. Diese Selbstverpflichtungen bringen in der Summe aber nur etwa die Hälfte dessen, was nötig wäre. Auch dies erkennt das Abkommen an und etabliert deshalb einen Mechanismus, um in fünfjährigen Abständen die Verpflichtungen zu verschärfen und ihre Einhaltung zu kontrollieren. Für die Umsetzung kommt es nun auf die Nationalstaaten, die Wirtschaft und jeden Einzelnen an. Auch Deutschland wird seine Energiewende beschleunigen müssen.
Ich bin dennoch optimistisch, dass die Transformation zu einem nachhaltigen Energiesystem rechtzeitig gelingen kann. Erstens wird die im Paris-Abkommen etablierte Transparenz und Berichtspflicht einen erheblichen politischen und moralischen Druck aufbauen, der durch die fortschreitende globale Erwärmung und die wachsenden Opfer und Schäden durch Extremwetter noch wachsen wird. Zweitens ist diese Transformation schon im Gange und hat viele Vorteile, wie saubere Luft und weniger Abhängigkeit von Lieferländern der fossilen Brennstoffe.
Über die Hälfte der Energieinvestitionen ging im vergangenen Jahr in die erneuerbaren Energien. Die von modernen Erneuerbaren (ohne Wasserkraft) erzeugte Energiemenge verdoppelt sich etwa alle fünf Jahre; sollte diese Wachstumsrate anhalten, könnten sie vor Mitte des Jahrhunderts den kompletten Energiebedarf der Menschheit decken. Nach Paris werden neue Investitionen in fossile Energie kurzsichtig aussehen. Chinas Kohleverbrauch sinkt bereits jetzt, die globalen Emissionen scheinen ein Plateau erreicht zu haben.
Das Paris-Abkommen hat auch Schwächen. Vor allem kommt es sehr spät: volle fünfzig Jahre, nachdem der erste offizielle Expertenbericht in den USA vor der globalen Erwärmung warnte. Das ist nicht zuletzt dem von der fossilen Lobby nach Kräften geschürten Zweifel an der Wissenschaft zu verdanken, dem Viele allzu gerne Gehör schenkten. Zudem sind die Emissionen von Luft- und Schifffahrt wieder außen vor geblieben. Diese Lücke sollte im nächsten Jahr geschlossen werden.
Das Paris-Abkommen ist aber deutlich besser als erwartet. Alleine löst es die Klimakrise nicht, aber es schafft den Rahmen und die Mechanismen dafür. Dabei orientiert es sich klar an den Erkenntnissen der Wissenschaft. Es ist damit ein großer Sieg der Vernunft. Dass fast zweihundert Delegationen sich dabei auf einen gemeinsamen Wortlaut einigen konnten ist auch ein Triumph der Diplomatie. Es gibt mir den Glauben zurück, dass die Menschheit – trotz aller Differenzen – mit Hilfe der Wissenschaft eine Gefahr erkennen und gemeinsam rational darauf reagieren kann. Ob die Dezembertage 2015 in Paris als Wendepunkt in die Menschheitsgeschichte eingehen, das werden die kommenden Jahre und Jahrzehnte zeigen.
(Kommentar von Stefan Rahmstorf, Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam)
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