Stellungnahmen zur Analyse nordostatlantischer Fischbestände

Abstract des Originalartikels:
Opitz, S. et al.: Assessment of MSC-certified fish stocks in the Northeast Atlantic. Marine Policy, Vol. 71. DOI: 10.1016/j.marpol.2016.05.003 Link 

"This study examines the status and exploitation level of 31 northern European stocks targeted by fisheries certified by the Marine Stewardship Council (MSC) as being sustainable and well managed. In the first year of certification, 11 stocks (52% of stocks with available data) were exploited above the maximum sustainable level and four stocks (16% of stocks with available data) were outside of safe biological limits. MSC states that it certifies sub-standard stocks because they will improve once they are in their program. However, after a duration of certification of one to ten years (average four years), no significant changes in fishing pressure or stock size were detected. In the last certified year with available data, seven stocks (44% of stocks with available data) were subject to overfishing and five stocks (21% of stocks with available data) were outside of safe biological limits. Certification should guarantee that fishing quotas are set correctly and are enforced. However, in 11 stocks quotas were set 20–60% above the level that fishers were taking, whereas in three stocks landings exceeded quotas by 30–50%. The study concludes that MSC should change its rules such that overfishing or unsafe stock sizes lead to immediate suspension of certification and that no certification is issued in the first place for a stock that is already in such a situation."


Stellungnahme des MSC (25.05.2016, gekürzt):

Analysen wie die von Opitz et al. sind ein wichtiger Teil der externen unabhängigen Prüfung, die der MSC grundsätzlich begrüßt. Alle objektiven Überprüfungen des MSC-Standards und seiner Anwendungen werden ernst genommen. Der MSC ist jedoch der Auffassung, dass der Artikel von Opitz et al. irreführende Analysen und Aussagen enthält, die er hier korrigieren möchte.

Opitz et al. haben den wissenschaftlichen Ansatz des ICES offenkundig missverstanden. Sie nehmen fälschlicherweise an, dass der Referenzwert für eine „optimale“ nachhaltige Bestandsgröße bzw. Biomasse (BMSY) doppelt so hoch sei, wie der vom ICES ermittelte untere Grenzwert für eine nachhaltige Bestandsgröße bzw. Biomasse (Btrigger rsp. Bpa). Dies ist laut ICES eine grobe Fehlinterpretation der ICES Klassifikation: So kann nach ICES Definition BMSY bei einigen Fischbeständen sehr knapp über Btrigger liegen, während BMSY bei anderen Beständen weit über Btrigger liegt.

Dr. Christopher Zimmermann, deutscher ICES-Abgesandter und Mitglied des ICES-Beirats, stellt klar: “Opitz et al. behaupten, nur mit offiziellen ICES-Daten zu arbeiten, doch gerade das tun sie nicht! Sie haben stattdessen eigene Referenzwerte aufgestellt um anhand dieser, wie schon in der Vergangenheit, fälschlicherweise zu behaupten, der MSC lasse eine Ausbeutung überfischter Bestände zu. Weder nutzt ICES das von Opitz et al. herangezogene BMSY, noch befürworten wir grundsätzlich das Heranziehen einer festen Formel zur Berechnung von BMSY. Die Analyse von Opitz et al. basiert leider auf einer Fehlinterpretation der von den Autoren herangezogenen offiziellen ICES-Daten.“

Der gesamte Artikel ist unter www.msc.org zu finden.

 

Die Stellungnahme der Autoren (27.05.216)

Viele europäische Fischbestände gelten als überfischt oder sind von Überfischung bedroht. Das blaue MSC-Siegel auf Fischprodukten soll garantieren, dass der Fisch aus geprüfter umwelt- und bestandsschonender Fischerei stammt und Verbrauchern damit Sicherheit beim Einkauf vermitteln. In einer interdisziplinären Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gemeinsam mit internationalen Kollegen die Verlässlichkeit des MSC-Siegels an nordeuropäischen Fischbeständen geprüft.

Ihr Ergebnis: Mehr als zehn Bestände wurden stärker befischt als ökonomisch sinnvoll und ökologisch vertretbar wäre. Die Studie ist online in der internationalen Fachzeitschrift Marine Policy erschienen.

Das blaue Siegel genießt bei Verbrauchern weltweit großes Vertrauen. Im Rahmen der neuen Studie wurden 31 nordeuropäische Fischbestände im Nordostatlantik, die durch zertifizierte nachhaltige Fischerei nach den Richtlinien des MSC befischt werden, hinsichtlich ihrer Bestandsgröße und Befischung untersucht. „Wir haben uns dabei an den offiziellen Bestandsabschätzungen orientiert, die auch die Grundlage für die MSC-Zertifizierung bilden“, sagt Dr. Rainer Froese vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.Bisher mangelt es sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene an rechtlich durchsetzbaren Vorschriften für Produkte aus nachhaltiger Fischerei. Die Umsetzung der von der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) definierten Standards ist für Unternehmen bisher freiwillig. „Jedes Unternehmen kann demnach den Begriff nachhaltige Fischerei frei verwenden. Kontrollierte Standards für Umweltlabels gibt es in diesem Bereich nicht“, sagt Prof. Nele Matz-Lück vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht. „Ökosiegel für überfischte Bestände mögen streng genommen "legal" sein, vertretbar sind sie nicht", so Matz-Lück weiter.

Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen daher, die Richtlinien des MSC dahingehend zu ändern, dass Überfischung und unsichere Bestandsgrößen zur sofortigen Aussetzung der Zertifizierung führen. „Beim Kauf sind Fischprodukte mit MSC-Siegel zwar Produkten ohne Siegel vorzuziehen, doch um das entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher weiterhin zu erhalten, muss der MSC an seiner Glaubwürdigkeit arbeiten,“ resümiert Erstautorin Dr. Silvia Opitz vom GEOMAR.

Die gesamte Stellungnahme unter www.umweltruf.de.


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