Chancen und Risiken der Fisch-Aquakultur in der Ostsee
Fisch ist seit jeher ein wichtiges Grundnahrungsmittel in vielen Teilen der Welt. Doch der Mensch hat auch diese Ressource stark dezimiert. Die Fischbestände sind seit Jahren stark überfischt, doch die Nachfrage steigt weiterhin. Aus diesem Grund setzen viele Länder auf die Aufzucht von Fischen in Aquakulturanlagen. Inzwischen werden von den weltweit verbrauchten 123 Millionen Tonnen Fisch etwa 45 Prozent in Aquakulturanlagen produziert und der Anteil steigt stetig.
Auch in der EU ist Aquakultur einer der Sektoren, der im Rahmen der "Blue Growth"-Strategie wachsen soll und daher gefördert wird. Gleichzeitig sind die EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie verpflichtet, den Zustand der Meeresumwelt zu verbessern um bis 2020 einen guten Umweltzustand zu erreichen. Da die überhöhte Nährstoffanreicherung eines der schwerwiegendsten ökologischen Probleme der deutschen Ostsee ist, stellt sich die Frage, wie diese beiden Entwicklungen miteinander verbunden werden können.
Um die derzeitigen politischen Entwicklungen sowie die Möglichkeiten einer umweltverträglichen Fisch-Aquakultur, die keine zusätzliche Nährstoffbelastung für die Ostsee bedeutet, zu diskutieren, haben das BUND-Meeresschutzbüro und der BUND-Landesverband Schleswig-Holstein am 10. Oktober 2017 Vertreter*innen von Politik, Aquakulturwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft sowie die interessierte Öffentlichkeit zu einer Fachveranstaltung eingeladen.
Sechs Fachvorträge beleuchteten die Thematik aus Sicht der EU-, Bundes- und Landespolitik sowie der Wissenschaft und des Umweltschutzes. Es wurde klar, dass der ökologische Zustand der Ostsee keinen Spielraum für weitere Nährstoffeinträge birgt und bei dem Ausbau der Aquakultur nur dann offene Anlagen genehmigt werden dürften, wenn diese keine zusätzliche Belastung für die Ostsee bedeuten.
Aquakulturen? Nur ohne Belastung für die Ostsee
Unter moderner Aquakultur wird heute eine Vielzahl unterschiedlicher Produktionsmethoden und Zielorganismen verstanden. Dazu zählen sowohl offene Netzgehege in natürlichen Gewässern, als auch Teichanlagen oder geschlossene Kreislaufanlagen, die weitgehend standortunabhängig an Land errichtet werden können. Offene Fisch-Aquakulturanlagen im marinen Bereich bergen jedoch verschiedene Umweltrisiken, wie z.B. den Eintrag von zusätzlichen Nährstoffen in die Meeresumwelt durch Kot, Urin und Futterreste. Bei der sogenannten extraktiven Aquakultur von Arten wie Muscheln oder Algen, die dem System eher Nährstoffe entziehen als zuführen, spielt die Nährstoffproblematik keine Rolle. In den Vorträgen und der darauffolgenden Diskussion wurde herausgearbeitet, dass für die Ostsee als offene Netzgehegeanlagen nur solche im Verbund einer Integrierten Multitrophischen Aquakultur (IMTA) möglich wären, bei denen die ausgeschiedenen Nährstoffe der Fische von anderen Organismen wie z.B. Miesmuscheln wieder aufgenommen werden, so dass kein zusätzlicher Eintrag von Nährstoffen in den Wasserkörper stattfindet. Diese Anlagen sind jedoch noch nicht im industriellen Maßstab getestet worden, die Realität der Null-Eintragstheorie muss also noch überprüft werden.
Vielversprechender sind hier land-basierte geschlossene Kreislaufanlagen, auch als integrierte Haltungssysteme im Zusammenhang mit Gemüseanbau (Aquaponics), die keine zusätzlichen Nährstoffe in Gewässer eintragen. Noch gibt es jedoch wenige Anlagen, die auch profitabel Fisch produzieren, bisher handelt es sich hauptsächlich um Forschungs- und Pilotprojekte. Solche geschlossenen Anlangen (Recirculating Aquaculture Systems (RAS)) haben viele Vorteile wie z.B. die Nahrungsproduktion in der Nähe der Verbraucher*innen, dem Recycling des genutzten Wassers und der Möglichkeit der Reinigung oder sogar Weiternutzung des Abwassers. Es sind jedoch noch viele Fragen bezüglich der gezüchteten Arten, der Haltungssysteme auch hinsichtlich des Tierwohls, der optimalen Wassernutzung, des Energiebedarfs oder der Technik offen. Hier besteht noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf um eine wirtschaftliche Durchführbarkeit möglich zu machen.
Ostsee braucht Kooperation und Ausstausch der Anrainerstaaten
Für ein Binnenmeer wie die Ostsee sind auch die Kooperation und der Austausch mit den anderen Ostseeanrainern unerlässlich und im Rahmen der Espoo-Konvention und der "Cross Border Cooperation" der EU auch vorgeschrieben. Zurzeit plant die dänische Regierung im Kattegat Aquakulturanlagen auf einer Fläche von 600 Quadratkilometern, hat jedoch die Nachbarstaaten noch nicht im Rahmen der oben genannten Konvention oder Kooperation angesprochen. Gleichzeitig ist Dänemark aber auch Vorreiter im Hinblick auf großmaßstäbige landgestützte Kreislaufanlagen, die derzeit schon verschiedene Fischarten produzieren. Hier wäre eine enge Kooperation über die Landesgrenzen hinaus von Vorteil.
Zum Abschluss wurde die These diskutiert, ob die Fischproduktion durch Aquakultur unbedingt die Lücke komplett füllen muss, die durch den Wildfang wegen Überfischung nicht mehr geschlossen werden kann. Wenn Fisch als selten genossene Delikatesse verstanden werden würde, wären konsumierte (und damit zu produzierende) Mengen kleiner und auch die Vermarktung von hochwertigen Produkten aus geschlossenen Anlagen einfacher. Hier wäre auch eine Zertifizierung/Label für nachhaltige Aquakulturprodukte aus geschlossenen Kreislaufanlagen hilfreich. Eventuell wäre sogar eine Zertifizierung als Bioprodukt denkbar. Dafür müssten genaue Bedingungen auch im Hinblick auf das Tierwohl identifiziert werden. Für die Konsument*innen wäre damit die Identifikation hochwertiger nachhaltiger Produkte erheblich vereinfacht.
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